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pátek 14. února 2014

Deutsche in Brünn

Franz Chocholaty Gröger
übersetzt von Mathilde Najdek 
Ehemaliges „Deutsches Haus“ auf dem Lažanský-Platz (1891-1945;
im Krieg "Adolf-Hitler-Platz" genannt) in Brünn – während des Krieges 
durch Luftangriffe teilweise beschädigt und 1945 dann endgültig 
von den Tschechen gesprengt und dem Boden gleichgemacht.
Laut einer Volkszählung lebten in Brünn am 1. Dezember 1930 insgesamt 52.165 Deutsche (20,3% aller Einwohner Brünns), was in absoluten Zahlen die meisten Deutschen im Binnenland darstellte, d. h. auf dem nicht zum Grenzgebiet gehörenden Territorium gemäß der Regierungsanordnung Nr. 155/1936 Slg. Außer den Deutschen lebten in Brünn auch noch 200.213 Tschechen, 3295 Juden und 149 Polen. Zwischen 1931 und 1945 wurde die Bevölkerung auf diesem Gebiet nicht gezählt, gezählt wurde erst am 17. Mai 1939 auf dem dem Deutschen Reich am 1. 10. 1938 angegliederten Gebiet [=Sudetenland]. Im Jahr 1944 lebten dort 60.000 Deutsche. Laut Schätzungen lebten im März 1945 in Brünn ungefähr 30.000 Deutsche, davon handelte es sich bei 20.000 oder 25.000 Personen vor allem um alte Männer, ferner Frauen und Kinder. Die Verminderung der deutschen Bevölkerung geht auf die Verluste durch Luftangriffe am 25. August, 11. Oktober, 20. November, 19. Dezember 1944 sowie im April 1945 zurück, wobei insgesamt 1278 Häuser vernichtet und weitere 12.439 beschädigt wurden. Bei den Luftangriffen kamen mindestens 1.200 Menschen ums Leben.

Weiter wurde die Zahl geringer durch die im Krieg Gefallenen sowie durch Verschiebungen von Deutschen aus dem Kampfgebiet. Eine solche Verschiebung der Deutschen aus Brünn erfolgte in der Nacht vom 7. zum 8. April in Richtung Zwittau und von dort über die Böhmisch-Mährische Höhe in Richtung Přibram. Von dort führte der Weg über Pilsen nach Prag, wo der Aufstand diese Leute ereilte, und danach die Überführung in Lager. Die Brünner Beamtenschaft und deren Familien wurden in der Zeit von 15. bis 18. April mit städtischen Autobussen nach Iglau evakuiert und dann nach Südböhmen, nach Rosenburg im Böhmerwald. Nach der Besetzung durch die Amerikaner mußten sie nach Österreich gehen. Am 25. April 1945 rückte das sowjetische Heer in Brünn ein und am 26. April wurde die Stadt besetzt. Am 12. Mai hielt Dr. Edvard Beneš seine berüchtigte Rede von der „Ausliquidierung der Deutschen“ vom Balkon des Rathauses auf dem Dominikanerplatz (Rathausplatz). Die Kommandantur der „Nationalen Sicherheits-Wacht Brünn“ (NBS) für Mähren gab am 20. Mai 1945 die Anordnung für die Verwahrung von Personen deutscher Nationalität heraus – ausgenommen waren Invalide und Schwerkranke, hochschwangere Frauen und Wöchnerinnen, Kinder, die jünger waren als sechs Jahre, und Personen aus Mischehen, sofern sie sich „gegen die nationale Ehre nicht schuldig gemacht haben“ und Personen, die eine „antinazistische Aktivität vorweisen“ konnten.

Auf einer Sitzung der Regierung vom 23. Mai 1945 wurde bekanntgegeben, daß in Brünn 1600 Personen verhaftet worden seien, davon allein 1500 Deutsche. Die Anzahl der Inhaftierten im Kounic-Kolleg bewegte sich zwischen 2000 und 3000 Deutschen aus Brünn. Bis Ende September 1945 gelang es, 2324 von den vor dem 31. Mai 1945 inhaftierten Personen zu überprüfen. Mindestens 300 Personen sind bis zur Aufhebung gestorben oder umgebracht worden. Unter das Kommando Kounic-Kolleg und die dortige ŘNB (Direktion der Nationalen Sicherheit) fielen insgesamt 4202 Personen (davon 997 Frauen und 446 Kinder).

Zum 23. Mai 1945 wurden in 11 Konzentrationseinrichtungen 1200 Deutsche festgehalten. Der „Národní Výbor“ von Brünn gab am 29. Mai 1945 eine Anordnung heraus, wonach die arbeitsfähigen deutschen Männer von 14 bis 60 Jahre, die sich zur Zeit in der Stadt befanden, im Barackenlager in Malmeritz zu konzentrieren waren. Die Verordnung des Rates ZNV 78/1945 ordnete an, eine bestimmte Anzahl von Deutschen aus der Stadt zu deportieren.

Gleichzeitig wurde die Massenaussiedlung der Deutschen aus der Stadt in Richtung österreichische Grenze vorbereitet, zu der es in den Tagen 30. und 31. Mai kam. Berichten jener Zeit zufolge wurden aus Brünn 17.014 und aus Brünn-Lösch hinzukommend 2000 bis 2500 Deutsche ausgesiedelt. Von unterwegs und jenen Stellen, wo der Menschenzug haltmachte, wurden viele Leute zurückgeschickt. Im Lager von Malmeritz sollen 853 und in den Häusern 1226 Deutsche geblieben sein, die aus dem „odsun“ herausgenommen wurden. Eine andere Quelle macht folgende Angaben: Richtung Mödritz und Groß Raigern wurden zu Fuß 19.161 und mit Wagen 575 Leute vertrieben. 1105 Personen sollen in Arbeitslager geliefert und 1416 entlassen worden sein. Aus dem improvisierten Lager in Pohrlitz wurde zwar eine größere Anzahl von Personen nach deren Überprüfung nach Brünn zurückgeführt, allerdings blieben an Ort und Stelle noch ca. 4000 bis 5000 Personen. Der Rest der Teilnehmer am „Brünner (Todes)marsch“ ist erst nach Einschreiten der Sowjets über die tschechoslowakisch-österreichische Grenze entlassen worden. In Pohrlitz wurde eine provisorische Verwaltung errichtet und am 6. Juni 1945 wurde in Muschau bei Nikolsburg ein „Entlastungslager“ aufgebaut. Ein Teil der Brünner Deutschen ist in die Gemeinden nördlich und südlich der Thaya verstreut worden. In Pohrlitz wurden zwischen 6. Juni und 12. Juli 1945 insgesamt 459 Tote registriert, davon 366 infolge einer Ruhr-Epidemie.

Die Gesamtzusammenfassung von Verlusten an Menschenleben der aus Brünn vertriebenen deutschen Bevölkerung sieht wie folgt aus: auf tschechoslowakischem Territorium 629 Fälle (459 in Pohrlitz und 170 bereits beim Abschluß von Aktionen an anderen Orten) und auf österreichischem Boden 1062* Todesfälle (allein in der Nähe des Zollamtes Drasenhofen sind in den Tagen 4. Juni bis 9. August 1945 ca. sechzig Personen gestorben bzw. in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt worden), also insgesamt 1691. Ältere und Kranke wurden im August in die „Entlastungsstation“ in Grusbach in der Nähe von Fröllerdorf und ins Siechenhaus der hl. Hedwig in Frischau im Bezirk Znaim verlegt. Invaliden, arbeitsunfähige und kranke Deutsche, die in Brünn geblieben waren oder hierher gebracht worden waren, beziehungsweise die aus den dortigen Lagern hatten freikommen können, wurden den Ämtern in Sonderabteilungen der Krankenhäuser der hl. Elisabeth und der hl. Anna übergeben. Einen Teil der Waisen und der verlassenen Kinder übernahm ein karitatives Heim in der Wienergasse.

Anm. d. Redaktion: Die Angaben über die Opferzahlen gehen je nach unterschiedlicher Quelle auseinander. Andere Quellen geben im Wortlaut an: Mit Sicherheit belegt sind etwas über 2000 Todesfälle, davon 890 in einem Massengrab bei Pohrlitz und weitere etwas über 1.000*, die auf mehreren Friedhöfen auf österreichischer Seite und entlang der Straße nach Wien in Einzelgräbern bestattet wurden. Da die gesamte Historiographie davon ausgeht, daß auf der tschechischen Seite der Grenze weit mehr Opfer zu beklagen waren als im Schlußkapitel des Todesmarsches zwischen der Grenze und Wien, kann die Zahl 5200 als gut gesichert gelten. Vgl. dt.Wikipedia. Zeitzeugen verweisen darauf, daß bei den Straßenbauarbeiten bei Pohrlitz viele ungeordnete „Gräber“ zutage getreten waren.

Am 21. Juni 1945 gab die Kommandostelle des NBS (Nationale Sicherheit) für Mähren eine einstweilige Richtlinie über Konzentrationslager, Haft- und Arbeitslager sowie Untersuchungskommissionen in Mährisch-Schlesien heraus.

Das Symbol des Deutschtums – das „Deutsche Haus“ auf dem heutigen Moravské náměstí (Mährischer Platz, früher Lažanský-Platz, während des Krieges Adolf-Hitler-Platz), das durch einen Fliegerangriff auf Brünn nur teilweise, aber durch später erfolgte Kampfhandlungen stark beschädig worden war, wurde im August 1945 gesprengt. Die Reste mußten von den deutschen Bewohnern Brünns selbst exemplarisch auseinandergenommen werden.

Zwischen Mitte August und Anfang September 1945 befanden sich im PT (Arbeitslager) Brünn-Malmeritz 2237 Personen und im Arbeitslager Brünn-Mala Klajdovka 1582 Personen, davon 1574 Deutsche. Von Februar bis März 1946 evidierte die Zentrale für Arbeitszentren in Brünn 9 Objekte in der Stadt, eine Krankenhausabteilung in Bohonitz und Brünn-Tschernowitz und die sogenannten Notunterkünfte der Deutschen in Göding und Kronstadt mit ungefähr 4500 konzentrierten Deutschen.

Nachdem am 1. April 1946 von einem Brünner Bahnhof der erste Transport nach München-Allach abfuhr, wurden wei- tere Transporte nach München-Allach (insgesamt 2), Bayreuth (1), Augsburg (1), Dachau (1), Regensburg (1) in Bayern, ferner nach Aalen (2), Göppingen (1) in Nord-Württemberg, und nach Gerlachsheim (1) in Nord-Baden vorbereitet. Der letzte, zwölfte Transport fuhr dann am 27. November 1946 mit 1241 Deutschen nach Karlsruhe.

Insgesamt wurden 13.790 Deutsche abgeschoben. Die Zahl der Deutschen, die nicht in den „odsun“ kamen und in Brünn bleiben durften oder sich hier in den umliegenden Gemeinden angesiedelt haben, ist nicht leicht festzustellen. Es handelte sich vor allem um Personen aus Mischehen, Spezialisten, sogenannte Antifaschisten und Alte oder Kranke, die nicht transportiert werden konnten. Zeitgenössische Quellen geben Zahlen an, wonach zum 1. November 1946 in Brünn 2971 Deutsche lebten, von denen noch ungefähr 1500 für den nachträglichen „odsun“ nach Deutschland bestimmt waren. Aus einem Dokument vom 15. Februar 1949 geht eine Anzahl von 1462 Deutschen auf dem Gebiet der Stadt Brünn hervor.

Pardubitz, 26. Jänner 2011
Franz Chocholaty Gröger


Anhang 2014-01-06: 

*Die von Walter Saller im Brünner Heimatboten in den Jahren 1994/95 zusammengestellten Listen der Brünner Toten auf den Friedhöfen am Leidensweg des Brünner Elendszuges durch Niederösterreich nach Wien umfassen nach Bereinigung um Doppelnennungen, ohne Bestattungen in Einzel- oder Feldgräbern am Wegesrand und ohne die erst in Wien Verstorbenen insgesamt 1119 namentlich benannte Tote.

Zampach nennt weitere – abweichende – Zahlen sowohl für die aus Brünn vertriebenen Menschen als auch für die Toten in Pohrlitz. Gibt es irgendwo Zahlen der gefallenen deutschen Soldaten aus der Brünner Sprachinsel? Was geschah mit den Kriegsversehrten und Genesenden in den großen Brünner Lazaretten (Barmherzige Brüder ...)?