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sobota 8. ledna 2011

Das Wiesbadener Abkommen zwischen dem Tschechischen Nationalausschuss und der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen

Franz Chocholatý Gröger
(Übersetzung: Mathilde Najdek)
Ursprünglicher Text auf tschechisch: hier
Der sudetendeutsch-tschechische Föderativausschuss tagt
in London (ca. 1951). Auf dem Bild (v.l.n.r.): Eugen de Witte,
Dr. Karel Locher, Dr. Rudolf Lodgman von Auen, General
Lev Prchala, Richard Reitzner und Hans Schütz.
General Lev Prchala gründete 1940 zusammen mit dem Journalisten Petr Přídavek den Tschechoslowakischen Nationalausschuss als Form einer Opposition gegen den tschechoslowakischen Widerstand, der von der Londoner Regierung und dem Präsidenten Dr. E. Beneš geführt wurde.
(1) Die spätere Tschechische nationale Einheit baute Prchala Ende 1944 zum Tschechischen Nationalausschuss um. Nach dem Februarputsch in der ČSR entstand im März 1948 die Tschechische nationale Gruppe für Westdeutschland. Im Februar 1949 wurde der Rat einer freien Tschechoslowakei (RSČ) gegründet, der zum Interessensvertreter der Tschechen und Slowaken im Exil wurde.

Zum Vorsitzenden des Vorstandes wurde Dr. Petr Zenkl, zum Stellvertreter Dr. Josef Lettrich. Weitere Mitglieder des Vorstandes waren Václav Majer, Dr. Adolf Procházka, Dr. Josef Černý, Dr. Jozef Dieška, Dr. Štefan Osuský, Ferdinand Peroutka, Dr. Juraj Slávik. Der Tschechische Nationalausschuss war die einzige „tschechische“ Gruppierung, die Kontakte zu Sudetendeutschen pflegte und die auch durchaus bereit war, mit ihnen über einen künftigen gegenseitigen Vergleich im freien Europa zu verhandeln.

Im August vor 1950 schlossen General Prchala und Vladimír Pekelský für den Tschechischen Nationalausschuss in London mit der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen, vertreten durch Lodgman von Auen, Richard Reitzner und Hans Schütz, eine gemeinsame Vereinbarung. Das Übereinkommen wurde durch die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen in München am 4. August 1950 und den Tschechischen Nationalausschuss in London am 5. August 1950 ratifiziert. (2)

General Lev Prchala (1892-1963)
Das Übereinkommen

wurde in London von General Prchala für den Tschechischen Nationalausschuss und der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen von Dr. Lodgman, Reitzner und Schütz verhandelt.

1. Beide Vertragsseiten gehen von einer demokratischen Weltanschauung aus und lehnen jedwedes totalitäre System ab. Beide Seiten betrachten eine demokratische Gestaltung der Verhältnisse im böhmisch-mährisch-schlesischen Raum als einen Bestandteil des Kampfes um ein einheitliches Europa. Dieses kann nach Ihrer Überzeugung nur dadurch erreicht werden, dass sich seine Völker ohne Zwang in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes zusammenfinden.
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2. Beide Seiten erkennen das Prinzip an, dass in einer Emigration niemand berechtigt ist, sein Volk zu verpflichten. Allein das Volk ist Herr seines Schicksals und soll das Recht haben, sich frei zu entscheiden, welchen Weg es beschreiten will. Nur das Volk entscheidet mit endgültiger Gültigkeit.
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3. Beide Seiten erachten die Rückkehr der vertriebenen Sudetendeutschen in ihre Heimat als gerecht und somit als selbstverständlich. Sie sind sich dessen bewusst, dass diese Rückkehr nur dann erfolgen kann, wenn auch das tschechische Volk befreit ist. Deshalb wollen sie alles tun, um seine Befreiung zu verwirklichen
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4. Beide Seiten lehnen die Anerkennung einer Kollektivschuld und den sich daraus ergebenden Rachegedanken ab, sie verlangen aber die Wiedergutmachung der Schäden, die das tschechische sowie das sudetendeutsche Volk erlitten haben. Sie fordern auch die Bestrafung der geistigen Urheber der begangenen Verbrechen sowie die Bestrafung der ausführenden Organe, die diese Verbrechen verübten. Beide Seiten erachten diese Maßnahmen als unerlässlich, da die Ereignisse des letzten Jahrzehnts ein freundschaftliches Miteinander beider Völker unmöglich machen, solange die heutige Generation lebt, in der sich Verbrecher und Opfer dieser Verbrechen am Besitz und am Leben befinden.
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Die Erinnerung an diese Ereignisse könnte beim besten Willen auf beiden Seiten nicht aus der Erinnerung ausgelöscht werden, solange bei beiden Völkern dieser Teil, der durch die Verbrechen belastet ist, nicht losgetrennt werden kann. Die Bestrafung dieser Verbrechen fällt – der Meinung beider Völker nach – dem eigenen Volke zu, da dies nicht nur Verbrechen am anderen Volk waren, sondern auch am eigenen Volk, wodurch der Ruf und das Ansehen eines jeden dieser Völker in den Augen anständiger Menschen schwer beschädigt wurde.
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5. Beide Seiten sind sich darin einig, dass die endgültige staats-politische Gestaltung beide Völker im Sinne des Punktes 2. beschließen, und zwar sobald das tschechische Volk befreit sein wird und die Sudetendeutschen in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Damit die Voraussetzungen eines neuen Zusammenlebens beider Tausend Jahre in engster Verbindung zusammen lebender Völker verwirklicht werden können und diese auch in Zukunft wieder zusammen leben wollen, sind beide Seiten übereingekommen, zu diesem Zweck einen Föderalausschuss zu konstituieren. Beide Seiten werden in diesem Ausschuss zu gleichen Teilen vertreten sein.
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6. Dieser Entwurf unterliegt einer Ratifizierung sowohl von Seiten des Tschechischen Nationalausschusses in London, als auch von Seiten der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung der sudetendeutschen Interessen in München. Der Text dieses Entwurfs – der bis dahin streng vertraulich ist - wird nach der Ratifizierung veröffentlicht.
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7. Dieses Übereinkommen ist in tschechischer und in deutscher Sprache abgefasst. Beide Reinschriften werden sowohl vom Präsidium der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen in München, als auch von General Prchala in Vertretung des Tschechischen Nationalausschusses in London unterschrieben. Beide Texte sind authentisch.

München-London Freitag, den 4. August 1950

Für die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen
Präsidium:
Lodgman, Reitzner, Schütz
Für den Tschechischen Nationalausschuss: Prchala, Pekelsky

Gegen dieses Übereinkommen sprach sich der Rat der freien Tschechoslowakei (RSČ) aus. (3) Seitens der Sudetendeutschen kommt es zum Versuch, über die Frage ihres Schicksals im freien Europa zu verhandeln. Am 20. April 1953 besuchte der Beauftragte des Vorsitzenden der sudetendeutschen Landsmannschaft Dr. Rudolf Lodgman, Namens Simon, in New York Peroutka. Laut eigenhändigem Eintrag Peroutkas lag der Grund des Besuches darin, einen neuen tschechischen Partner für deren politisches Programm zu finden, da General Prchala angeblich keine Reputation habe. Zwei Jahre später traf sich Peroutka in Anwesenheit des Grafen Heinrich Kolowrat-Krakowsky mit Paul Fiala, dem Vertreter Dr. Lodgmans in Amerika. Zweck des Besuchs von Fiala war die Absicht Verhandlungen zwischen Tschechen und Deutschen aufzunehmen. Auf die Frage Peroutkas hin sagte Fiala, dass das sudetendeutsche Programm darin besteht, einen „föderativen Staat von Tschechen und Deutschen“ zu schaffen, wobei sich tschechische und deutsche Präsidenten ablösen sollten. Dr. Lodgman solle seiner Meinung nach immer noch auf Verhandlungen mit den Tschechen warten. Vorläufig verhandelte man mit Dr. Josef Černý, der mit dem Programm einer Förderation einverstanden war und einen Abschluss eines formalen Übereinkommens mit dem Rat der freien Tschechoslowakei wünschte. (4) Weitere Verhandlungen haben sich jedoch nicht mehr entwickelt. Sowohl für die tschechoslowakische Emigration, als auch für die heimischen, tschechoslowakischen Politiker war die Frage der Sudetendeutschen mit ihrer Vertreibung definitiv gelöst. Die tschechische Politik beharrt bis heute auf dieser Position.

Pardubitz 7. 8. 2010
Franz Chocholatý Gröger

(1) Matoušek Jan, Lev Prchala http://www.narmyslenka.cz/knihy/osobnosti1.pdf
Peter Prídavok (* 27. 11. 1902, Stankovany - † 15.2. 1966, Londýn). Pseudonym: Cyril; Orion; Peter Prešovský. 1939 emigrierte er nach Jugoslawien, dann nach Frankreich. Gründer und Sekretär des Slowakischen Nationalausschusses. Im Exil setzte er sich als Repräsentant der Katholiken für einen tschechoslowakischen Staat mit slowakischer Autonomie ein. In England trennte er sich von den Vertretern des tschechischen Widerstandes im Ausland, war eine Zeitlang interniert auf Grund verschiedener Strafanzeigen, die Edvard Beneš erstattet hatte. Nach dem Krieg kehrte er nicht mehr in die Tschechoslowakei zurück und war 1948-1952 als Sekretär des Slowakischen Nationalausschusses im Ausland tätig. Später dann als Leiter des slowakischen BBC-Sendeprogrammes
(2) Grulich Rudolf prof.dr. , Deutsche Heimatvertriebene: 60 Jahre Charta und Wiesbadener Abkommen,  http://www.kirche-in-not.de/aktuelle-meldungen/2010/08-02-deutsche-heimatvertriebene-60-jahre-charta-und-wiesbadener-abkommen
Skalský J. . K Wiesbadenské dohodě,2010-07-07 . http://www.ceskenarodnilisty.czhttp://www.zvedavec.org/zdroje_32.htm?PHPSESSID=o3ooa5lbivrl94ksljufotqdd1
(3) Čelovský Bořivoj, Politici bez moci, Tilia, Šenov u Ostravy, r. 2000, str. 95-96, 113-114
(4) Čelovský Bořivoj, Politici bez moci, Tilia, Šenov u Ostravy, r. 2000, str. 95-96, 120-122
Skalský J. . K Wiesbadenské dohodě, 2010-07-07 . http://www.ceskenarodnilisty.czhttp://www.zvedavec.org/zdroje_32.htm?PHPSESSID=o3ooa5lbivrl94ksljufotqdd1