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úterý 9. srpna 2011

Unlängst in tschechischer Sprache erschienen: Kalte Heimat – Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945

Český text - Tschechischer Text
Franz Chocholaty Gröger, Mathilde Najdek
In diesen Tagen erschien das Buch des deutschen Autoren Andreas Kossert Kalte Heimat/Chladná vlast in tschechischer Übersetzung. Das Buch beginnt mit dem Kapitel Aus dem Osten die Beschreibung der ursprünglichen Heimat: Ostpreußen, Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien und die Freie Stadt Danzig, die baltischen Staaten, Polen (Posen, das östliche Oberschlesien und Teschen, Wolhynien, Galizien) die Tschechoslowakei, Ungarn (Westungarn, Budapest, die Schwäbische Türkei, die Batschka und das Banat), Rumänien (Siebenbürgen, das Banat, die Dobrudscha, die Bukowina, Bessarabien), Jugoslawien (das Banat, die Batschka, die Baranja, Slawonien, Kroatien, Niedersteiermark, Übermurgebiet, Krain, Gottschee) und die Sowjetunion. Das weitere Kapitel Exodus der Deutschen aus dem Osten befasst sich mit den Begriffserklärungen Flucht, Vertreibung und Aussiedlung und weiter mit dem Prozess der Vertreibung aus der Heimat, begleitet von Vertreibungen, Gewaltakten und Exzessen – also davon, was Bertrand Russel in einem offenen Brief in der Times vom 23. 10. 1945 wie folgt beschrieben hat: „In Osteuropa betreiben unsere Verbündeten in beispiellosem Umfang Massendeportationen und ganz offensichtlich versuchen sie, Millionen Deutsche auszulöschen, nicht mit Gas, sondern dadurch, dass sie ihnen ihr Heim nehmen und Nahrung verweigern, um sie einen langsamen mörderischen Hungertod sterben zu lassen. Es ist kein Kriegsakt, sondern ein Teil einer absichtlichen „Friedens-Politik.“

Rekapituliert wird hier die Vertreibung der Deutschen aus den polnisch beschlagnahmten Gebieten, die Massaker der kommunistischen AVNOJ – Bestimmungen in Jugoslawien, die im Jänner 1946 beginnende Vertreibung aus Ungarn, die wilde Vertreibung aus der CSR, die Transporte aus Ostpreußen und die folgenden Vertreibungen aus der Heimat im Rahmen des sog. „odsun“ im Jahr 1946 aus der CSR und aus Polen (Operation Schwalbe). In die Besatzungszonen wurden 14 Millionen Vertriebene transportiert, wie viele unterwegs gestorben sind, weiß man nicht, bisher sind 2,2 Millionen Schicksale ungeklärt und immer noch 1,5 Millionen vermisster Deutscher.

Der Begriff Vertreibung wurde zum ersten Mal von der amerikanischen Besatzungsmacht im Jahr 1947 verwendet, als der Terminus Technicus expellees Vertriebener eingeführt wurde, was nach der Gründung der Bundesrepublik übernommen wurde, und der Vertriebene wurde vor dem Begriff Flüchtling bevorzugt. Dieser Begriff wurde im Gesetz über die Vertriebenen (BVFG) für Flüchtlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone vorbehalten. In der DDR wurde der Terminus Technicus Umsiedler gebraucht und nach 1950 ersetzt durch „Neusiedler“. In Tschechien wird bislang die Vertreibung als odsun-Abschub dargeboten. In Polen wurde eine gewaltsame Polonisierung der Bewohner von Ermeland, Masuren und Oberschlesien, Hultschin und Ostschlesien, also der Schlesier, Hultschiner (Preußen) der Schlonsaken durchgeführt (was ich als gebürtiger Schlesier aus Bilovec/Wagstadt am eigenen Leibe erlebt habe). Mit dem Kapitel Die Polacken kommen wird das Schicksal der Vertriebenen in den vier Besatzungszonen Deutschlands beschrieben – Traumatisierung, Schmerz, Not, Hunger und Blechhütten, aber auch der deutsche Rassismus gegenüber den deutschen Vertriebenen. Alles wird mit statistischen Tabellen belegt. Das Kapitel Deutschlands Problem Nr. 1 beschäftigt sich mit der Frage, wie man sie integrieren und entschädigen sollte. Das Kapitel Verzicht ist Verrat ist der Interessenvertretung und der Politisierung der Vertriebenenfrage sowie der Gründung von Vertriebenenverbänden und verschiedenen Haltungen der politischen Parteien gegenüber den Vertriebenen gewidmet. Die unterschiedliche Haltung gegenüber Vertriebenen in der DDR wird hier auch behandelt. Diese Frage ist im Kapitel Verschwiegene vier Millionen oder die Vertriebenen in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR intensiver behandelt, wo eine radikalere erzwungene Assimilierung stattgefunden hat und wo jedwede Erwähnung über die Vertreibung und die Vertriebenen, und es nur Umsiedler gab, bestraft wurde. Das Kapitel Mit den Vertriebenen kam Kirche ist kirchlichen Fragen gewidmet. Dem deutschen Thema, oder wie Flucht, Vertreibung und Aussiedlung sich in der Literatur und in den Medien niedergeschlagen haben und der Frage des kulturellen Erbes der Vertriebenen widmet sich das Kapitel Mehr als Trachten und Heimattümelei. Im Kapitel Unbewältigter Schmerz befasst sich der Autor mit dem bestehenden Trauma der ewigen Flucht und mit dem Trauma des Verlustes von Familienangehörigen sowie den traumatischen Erlebnissen der Vertriebenen.

Eine gesamtdeutsche Verpflichtung sollte der Wille zu einer Dokumentation und Erinnerung sein. Der Frage der Vertriebenen als Opfer ist das letzte Kapitel Kalte Heimat gewidmet. Der Autor schloss das Buch im Februar 2009 in Warschau mit einem Nachwort. Ein großes Plus des Buches ist seine umfangreiche Bibliographie zu den einzelnen Kapiteln sowie das Namensregister. Die Ankunft der Vertriebenen in der neuen Heimat, die anfangs eine sehr kalte Heimat war, trug zur ungeahnten Veränderung von West- und Mitteldeutschland (weil Ostdeutschland unwiederbringlich verloren war), aber auch zur Deprovinzialisierung und Urbanisierung Deutschlands bei. Ohne diese Vertriebenen hätte es kein „Wirtschaftswunder“ gegeben. Leider wurde in Deutschland ein unbarmherziger Kampf um ihre Stimmen geführt, die Vertriebenen blieben jedoch mit ihren Traumata allein gelassen. Und das ist die größte Schuldenlast Deutschlands. Dieses Buch lohnt sich nicht nur zu lesen, sondern kann gleichzeitig als Anregung dazu dienen über diese Tragödie der modernen Geschichte Europas nachzudenken.

Andreas Kossert, Chladná vlast. Historie odsunutých Němců po roce 1945
479 Seiten, 63 Abbildungen
Host Brno/Brünn 2011,
ISBN 978-80-7294-414-9.

Pardubitz 1.7. 2011
Franz Chocholaty Gröger