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čtvrtek 24. března 2011

Halbtote wurden mit dem Stampfeisen erschlagen

Ivan Motýl
(Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Zeitschrift TÝDEN. Übersetzung: Mathilde Najdek)
Tschechischer Text: Přidušené dobili palicí.
Deutsches Haus in Mähr. Ostrau (1945).
Verwandte und Nachbarn der 231 deutschen Opfer des Wütens nach Kriegsende im Frühjahr 1945 in Ostrau haben sich zu Wort gemeldet. Im Massengrab liegen unschuldige Zivilisten, ein Bergmann oder gar ein Autobusfahrer.

Kaum ein Kind in Luidgierzowitz/Ludgerovice bei Ostrau hat die Freuden und Nöte der Nachbarn so gekannt wie Ilona Volná. „Vater hatte ein kleines Gasthaus und ich bin dort aufgewachsen. Alles hat mich interessiert, ich habe immer meine Ohren gespitzt, worüber sich die Männer unterhalten haben“, erinnert sich die einundachtzigjährige Ilona Volná. In der Schänke lernte sie auch den Bergmann Josef Mušálek kennen. „Es war ein sehr guter Mensch. Er sagte immer, dass er bei uns den Staub aus dem Schacht herunterspülen muss“, erzählt Frau Volna. Mušálek war ein entfernter Verwandter. Ungefähr vierzehn Tage nach Ende des Zweiten Weltkrieges verschwand der Bergmann Mušálek. „Die Revolutionären Garden haben ihn mitgenommen und ins Internierungslager Hanke in Ostrau eingesperrt. Aber warum die Männer gerade den einfachen Bergmann weggeschleppt haben?“ fragt sich Frau Volná.

Damals ahnte in Ludgierzowitz aber niemand, dass das Lager Hanke von den Sadisten Heinrich Gloss (der Masseur der Boxer) und von Emil Martínek (Bergmann) geführt wurde, die perverse Normen hatten. Täglich ließen sie mindestens zehn Häftlinge aufhängen, erschießen, sich gegenseitig erschlagen oder zu Tode foltern. Dem Wüten der tschechischen Gefangenenwärter unterlagen zwischen dem 10. Mai bis zum 13. Juni 1945 mindestens 231 deutsche Zivilisten aus Ostrau und Umgebung. Einschließlich der Frauen, weiter eines zweiundsiebzigjährigen Rentners sowie eines dreiundzwanzigjährigen jungen Mannes.

Mušálek hat das Lager überlebt. „Aus dem Lager ist er jedoch als gebrochener Mensch zurückgekehrt. Vor jedem Kreuz am Wege hat er innig und lang gebetet“, erinnert sich Ilona Volná. Aus Mušáleks Erzählungen beim Bier mit Verwandten hat sie schließlich ein grausames Puzzle seiner Erlebnisse zusammengesetzt. „In der Fabrikhalle, wo die Tschechen einige Dutzend Deutsche gefangen hielten, öffnete sich plötzlich das Tor. Die Wärter eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer aus Maschinenpistolen. Dort starben schrecklich viele Leute, nur Mušálek ist es gelungen, sich hinter dem Tor zu verstecken.“

Ilona Volná ahnt nicht, dass im Archiv des Innenministeriums in Kanitz/Kanice in den neunziger Jahren auch Mušáleks offizielle Zeugenaussage über die Verhältnisse im Lager im Jahr 1947 gefunden worden ist. Die Liquidierungs-Praktiken der Kommandanten der Lager wurden kurz vor dem Februar-Putsch von 1948 von einer Spezialkommission untersucht, und Mušálek hat dort bestätigt, dass er das Massaker tatsächlich nur deshalb überlebt hat, weil er sich hinter dem Tor versteckt hatte. Als ihn dann die Wärter entdeckten, musste er die Angeschossenen, die noch atmeten, erschlagen. „Ich sollte zwei Menschen mit Ziegelsteinen erschlagen. Ich wurde dazu vom Kommandanten Martínek mit vorgehaltener Pistole gezwungen“, bekannte sich Mušálek vor der Kommission. Die Kommission stellte fest, dass es zur Schießerei mit der Maschinenpistole keinen Grund gab. Die Kommandostelle im Lager inszenierte nur einen angeblichen Aufstand der Häftlinge, was dann von der kommunistischen Presse als Aufstand unter diesen Titeln zu lesen war: „72 Deutsche wurden bei dem Versuch eines Aufstands erschossen“ und „Eine Warnung an die Deutschen: Jeder Versuch eines Aufstands wird rücksichtslos unterdrückt!“ Die beschriebene Untersuchung einer Spezial-Kommission endete paradoxerweise mit der Einstellung des Strafverfahrens gegen Martínek, Gloss und weiteren Folterern. Und zwar wegen Mangel an Beweisen.

Die siebzigjährige Marie Petruskova aus Markersdorf/Markvartovice bei Ostrau beginnt einige Male zu weinen, wenn sie sich an die Ereignisse im Mai und Juni 1945 erinnert. Sie war kaum fünf Jahre alt, als der Krieg zu Ende war und die Revolutionären Garden nach Markersdorf kamen „zur Jagd auf Deutsche“. Mit Hilfe des ortsansässigen Denunzianten Frantisek Cichon stellten die selbsternannten „Partisanen“ ein Verzeichnis von vierundzwanzig Personen zusammen, die sie nach Ostrau verschleppten. „Meine Mutter endete im Lager Hanke, mein Vater musste zu Fuß bis nach Auschwitz marschieren, wo ein großes Internierungslager eingerichtet wurde“, erzählt Frau Petrusková. „Ich bin allein zurückgeblieben, um mich kümmerten sich die Nachbarn“. Ihr Vater hat sich in den Augen der „Revolutionäre“ dadurch schuldig gemacht, dass er während des Krieges in Markersdorf Bürgermeister war. „Die Menschen haben mir nach dem Krieg bestätigt, dass mein Vater als Bürgermeister niemandem ein Leid zugefügt hat. Im Gegenteil, er versuchte zu helfen“, stellte Frau Petrusková später fest. „Ich glaube, dass es den Gardisten hauptsächlich um unseren Besitz ging. Wir hatten Pferde und Fohlen, alles haben sie uns weggenommen.“ Als im Sommer 1945 die revolutionäre Leitung des Lagers Hanke in eine reguläre Einheit des SNB (Corps der Nationalen Sicherheit) ausgewechselt wurde, wurden einige Mütter von Kleinkindern aus der Internierung entlassen. „Auch meine Mutter. Später erzählte sie, wie sich die Häftlinge gegenseitig hängen oder totschlagen mussten“, erzählt Frau Petrusková.

All diese Bestialitäten werden ebenfalls durch eine Untersuchungsakte von 1947 bestätigt. „Die Stelle auf der Erde habe ich mit Wasser begossen, derjenige, der hingerichtet werden sollte, zog sich nackt aus und legte sich auf diese Stelle. Ich habe ihm den Draht an den Kopf und hinter die Ohren angelegt. Die Haut fing an zu schmoren, aber das hat ihn nicht getötet. Als er dann wieder zu sich kam, wurde er aufgehängt“, beschrieb einen Mord der Wärter Heinrich Gloss. Der organisierte zusammen mit den anderen Wärtern auch Massen-Vergewaltigungen von weiblichen Gefangenen oder er zwang die Internierten zu gemeinsamen Sexorgien; bei lebendigem Leibe riss er ihnen die Goldzähne heraus, brach ihnen Finger und Rippen, dann hängte er sie auf und nahm sie halbtot wieder ab und erschlug sie mit dem Hammer.

Die zitierten Zeuginnen aus Ludgierzowitz und Markersdorf sind bis heute bekennende Deutsche und im Deutschen Begegnungszentrum in Hultschin organisiert. Das Hultschiner Ländchen gehörte nämlich von 1742 bis 1920 zu Deutschland. Danach gehörte es achtzehn Jahre zur Tschechoslowakei und von 1938 bis 1945 zu Hitler-Deutschland. Damals waren auch alle Einwohner des Hultschiner Ländchens Deutsche und die Männer wurden zur Wehrmacht eingezogen. Gleich nach dem Krieg erachteten die Ostrauer Revolutionären Garden das nahe Hultschiner Ländchen als „deutsches Eroberungs-Gebiet“, wo man straflos die Alteingesessenen verhaften konnte.

„Die Gardisten interessierte nicht, was wir während des Krieges gemacht haben. Die Opfer suchten sie nach deren Besitz aus“, ist Ilona Volná aus Ludgierzowitz überzeugt. Das traf zum Beispiel auch auf Albert Hluchník zu, der auf dem Verzeichnis der Lager-Opfer unter der fortlaufenden Nummer 67 angeführt ist. „Herr Hluchník war Bauherr und wohnte hundert Meter von uns entfernt, er hatte als einziger in der Umgebung ein Auto“, erinnert sich weiter Frau Volná. Er wurde am 12. Juni 1945 zu Tode gefoltert.

Rheinhard Mikolajka aus Ludgierzowitz wird im Verzeichnis der Opfer unter der Nummer 127 angeführt, Jindrich Pchálek unter der Nummer 152. „Beide habe ich gekannt. Herr Pchálek war einfacher Busfahrer. Das haben wir im Dorf überhaupt nicht begriffen, wieso sie gerade ihn verhaftet haben“, wundert sich Frau Volná auch noch so viele Jahre danach.

Die Frauen Petrusková und Volná verfolgen die kürzliche Initiative von Hans Matis aus dem Verband der Deutschen in Teschen, der fordert, dass die Ostrauer Nachkriegs-Morde erneut untersucht werden, sowie die eventuelle Exhumierung der Massengräber, die sich im Milada-Horáková-Park befinden, also direkt unter den Augen des Bezirksamtes. „Die Toten wurden von Josef Mušálek aus dem Hanke-Lager zu den Massengräbern gebracht. Er erzählte, dass es zehn und mehr Opfer täglich waren, aber er musste sie heimlich erst in der Dunkelheit dorthin bringen“, erinnert sich Frau Volná daran, was der Nachbar Mušálek erzählte. Die Ostrauer Kriminologen haben den Fall im vergangenen Jahr im Herbst tatsächlich neu eröffnet und haben die Untersuchungakte aus dem Jahr 1947 durchgesehen. Zum ersten Male nach dem Februar 1948 bestätigten sie das Massaker offiziell, das von der Ostrauer Öffentlichkeit und den Politikern ständig hartherzig übersehen wird. Der Fahnder hat jedoch festgestellt, dass alle der ursprünglich beschuldigten Kommandeure und Wärter, die sich an den Morden von 231 Zivilisten beteiligt haben, nicht mehr am Leben sind. „Aus den von uns durchgeführten Untersuchungen geht hervor, dass niemand der Verdächtigen noch am Leben ist. Die Polizei kann also gegenwärtig kein Strafverfahren verdächtiger Personen eröffnen und durchführen, weil die Bedingungen des in der Strafordnung angeführten Strafverfahrens unzulässig sind“, teilte der Kriminologe Luboš Valerian mit.

Das Massengrab der 231 Opfer im Milada-Horáková-Park ist bis heute ohne jegliche Kennzeichnung. Ihr kleines Geschäft erledigen dort Hunde und Gäste der in der Nähe befindlichen Imbiss-Bude, wo die Parkbesucher ihren Rum und ihr Bier trinken. „Es ist eine Schande. Ich werde alles dafür tun, damit dort endlich eine Gedenktafel aufgestellt wird“, verspricht Marie Rončka, die Vorsitzende der Deutschen im Hultschiner Ländchen.