úterý 22. října 2013

Unvergessene Heimat Sudetenland

Gereon Breuer 
„An Gestohlenem […] kann man aber kein Eigentum erwerben und Mord verjährt nicht, trotz des tschechischen fort geltenden Straffreiheitsgesetzes.“ 
Mit diesen Worten schließt das Vorwort zu dem von Hans Mirtes und Alfred Oberwandling in deutscher und tschechischer Sprache verfassten Monumentalwerk Unvergessene Heimat Sudetenland. Das Monumentale ist hier keine Zuschreibung, die sich der Rezensent mangels anderer Begrifflichkeiten aus den Fingern gesaugt hätte, sondern das Monumentale ist dem Werk inhärent. Und das liegt nicht unbedingt nur an dem übergroßen Format des Buches, das durchaus im Bereich eines Bildbandes anzusiedeln ist.

Das Monumentale dieses Werkes liegt vor allem in seinem Detailreichtum hinsichtlich Datenfülle und präsentiertem Karten– und Bildmaterial. Dieses ist nicht nur umfangreich, sondern kann von seiner qualitativen Informationswertigkeit her als bisher kaum erreicht betrachtet werden. Etwa die kartographische Übersicht über die Städte in Böhmen und Mähren, die sich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts nach deutschem Stadtrecht organisierten, begeistert mit zahlreichen Informationen, welche Stadt wann welche stadtrechtlichen Strukturen einführte.

Ein umfassendes Panorama der sudetendeutschen Geschichte

In dieser Karte wird auch deutlich, was Intention und Kernanliegen des Buches ist. Es geht den Herausgebern und den zahlreichen für die Einzelbeiträge gewonnenen Autoren nicht darum, revanchistische Tendenzen zu unterstützen oder Geschichtsrevisionismus zu betreiben. Ganz im Gegenteil geht es darum, die Geschichte des Sudetenlandes von seinen Anfängen im vierten Jahrhundert vor Christus bis zu den schmachvollen Ereignissen im Jahr 1945 darzustellen und so deutlich zu machen, dass die Geschichte des Sudetenlandes als „Europas unbekannte Mitte“ mindestens seit der Gründung der Prager Universität im Jahr 1348 eine explizit deutsche Geschichte ist.

Auf dieser Grundlage gewinnt die Darstellung der Vertreibung der Sudetendeutschen, die natürlich auch Thema des Buches ist, einen historisch gefestigten Rahmen. Dass eben an Gestohlenem kein Eigentum erworben werden kann, ist nur dann als Tatsache zu akzeptieren, wenn es sich wirklich um etwas Gestohlenes handelt.

Mit dem fundierten Blick auf die sudetendeutsche Geschichte leistet das Buch diese Erkenntnis: Das Sudetenland ist Gestohlenes. Denn erst ab 1848 erstarkte der tschechische Nationalismus, der die sudetendeutsche Frage in den Fokus rückte. Es waren vor allem Bauern und Kleinbürger, die dieser Ideologie anhingen. Aber – und hier leistet das Buch ein Glanzstück der Differenzierung – diese Ideologie konnte nur in einen tschechischen Staat münden, in dem die Sudetendeutschen zuerst sogar durch ethnische Säuberung entfernt werden sollten.

Von Deutsch-​Böhmen zum Sudetenland 

Weil die Schilderung der sudetendeutschen Frage und ihres Aufkommens ein so wichtiges Thema für das Verständnis der Geschichte von Böhmen und Mähren ist, liefert das Buch auch eine prägnante Schilderung, wie sich die Begrifflichkeit des Sudetendeutschen überhaupt entwickelte.

Denn bis die Alliierten 1918 Geburtshilfe für die Gründung der Tschechei leisteten, sei es keinesfalls üblich gewesen, von „Sudetendeutschen“ zu sprechen, sondern die gängige Rede sei immer nur von Deutsch-​Böhmen oder Deutsch-​Mähren gewesen. Für die Stigmatisierung der Deutschen in diesem neuen Staat als Fremdkörper sei es aber dann nötig gewesen, auch eine Begrifflichkeit zu schaffen, die das unterstreicht. Der Begriff der „Sudetendeutschen“ kann also getrost als ideologisches Produkt betrachtet werden.

Weil dieses ideologische Produkt gerade in den vom deutschen Schuldkult kontaminierten Gehirnen deutscher Schüler und Studenten besonders fest sitzt und das Märchen von der Verursachung der Vertreibung mit 241.000 Todesopfern direkt durch Adolf Hitler, auch nach wie vor breite Akzeptanz genießt, ist man fast geneigt, jedem Schüler dieses Werk zur Lektüre zu verordnen.

Mindestens aber das im Anhang des Buches abgedruckte Gutachten über die Völkerrechtswidrigkeit der Beneš-Dekrete sollte unbedingt den Weg in alle deutschen Geschichtsbücher finden. Leider wird das wohl Illusion bleiben. Das Werk selbst ist glücklicherweise keine solche und wer sich fundiert über die Geschichte des Sudetenlandes mit allen Höhen und Tiefen informieren möchte, dem sei es dringend zur Lektüre empfohlen.

Hans Mirtes und Alfred Oberwandling: Unvergessene Heimat Sudetenland. 126 Seiten, Verlag libergraphix 2013. 34,60 Euro.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von "BLAUE NARZISSE" , dem Jugendmagazin aus Chemnitz.